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Überschuldung verstehen, bevor sie krankmacht

Teilnehmer:innen des von der VolkswagenStiftung geförderten Scoping-Workshop "Ver- und Überschuldungsforschung"
Prof. Dr. Patricia Pfeil, Hochschule Kempten, Caro Berndt, iff, Prof. Dr. Eva Münster, Universität Witten/Herdecke, Prof. Dr. Kerstin Herzog, HSRM, Dr. Sally Peters, iff, und Dr. Hartmut Unger (Moderation)

Ein Positionspapier unter Beteiligung der Hochschule RheinMain benennt Lücken in der Überschuldungsforschung – und macht konkrete Lösungsvorschläge.

Mehr als fünf Millionen Erwachsene in Deutschland gelten als überschuldet. Hinzu kommen Partner:innen, Kinder und Angehörige, die von finanziellen Engpässen ebenfalls betroffen sind. Trotzdem weiß die Wissenschaft noch immer viel zu wenig darüber, warum Menschen überschuldet sind und welche gesellschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen das hat. 

Prof. Dr. Kerstin Herzog, Professorin für Soziale Arbeit – Prekäre Lebensverhältnisse im Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain (HSRM) hat gemeinsam mit weiteren Partner:innen ein Positionspapier entworfen, um auf die Versäumnisse in der Überschuldungsforschung aufmerksam zu machen – und Lösungen vorzuschlagen. 

Was wir über Überschuldung wissen – und was nicht 

„Plötzliche Lebenskrisen wie eine schwere Krankheit, eine Trennung oder der Verlust des Arbeitsplatzes können zu Überschuldung führen“, erklärt Prof. Dr. Herzog. „Aber auch das dauerhafte Leben in Armut oder mit Niedrigeinkommen erhöht das Risiko von Zahlungsstörungen und Überschuldung. Psychische Belastungen, Scham- und Schuldgefühle sind oftmals Folgen. Wie genau diese Prozesse in die Überschuldung oder aus dieser heraus entstehen, ist noch viel zu wenig erforscht.“ 

Oft fehlen grundlegende Daten: Es gibt keine verlässliche und unabhängige Datengrundlage, wie viele Menschen in Deutschland tatsächlich von Überschuldung betroffen sind und welche Art von Schulden sie haben. Denn nicht alle Schulden sind gleich: Konsumschulden, Mietrückstände, Immobilienkredite oder auch BAföG-Rückzahlungen betreffen unterschiedliche Lebenslagen – und erfordern unterschiedliche Lösungen. Auch Schuldnerberatungen arbeiten bislang ohne umfassende wissenschaftliche Begleitung, obwohl ihr Wissen wertvoll wäre, um Hilfsangebote gezielt zu verbessern. Neue Risiken wie digitale Konsumangebote („Jetzt kaufen, später zahlen“) und die besonderen Herausforderungen für Menschen mit Armuts- oder Migrationserfahrung werden kaum untersucht. Und obwohl Überschuldung ein internationales Problem ist, fehlt der Austausch über Ländergrenzen hinweg.

Das soll sich ändern. Die Expert:innen fordern: 

  • eine umfassende Bestandsaufnahme aller vorhandenen Daten und Studien
  • den Aufbau eines dauerhaften Forschungsnetzwerks
  • eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen
  • die Entwicklung klarer Qualitätsstandards für die Überschuldungsforschung
  • eine stärkere Verzahnung von Forschung, Beratungsstellen und Politik

Nur wenn Forschung, Politik und Praxis enger zusammenarbeiten, lassen sich die sozialen und gesundheitlichen Folgen von Überschuldung langfristig verringern. „Wir möchten hier einen Beitrag leisten, gemeinsam mit anderen Disziplinen weiterzuforschen“, sagt Prof. Dr. Herzog. „Denn auch wenn die Risiken unterschiedlich verteilt sind – Überschuldung kann jeden treffen.“

Entstehung des Positionspapiers

Das Positionspapier entstand im von der VolkswagenStiftung geförderten Scoping-Workshop „Ver- und Überschuldungsforschung“. Beteiligt waren neben Prof. Dr. Kerstin Herzog von der Hochschule RheinMain, Prof. Dr. Eva Münster von der Universität Witten/Herdecke, Dr. Sally Peters und Caro Berndt vom institut für finanzdienstleistungen e. V. (iff), sowie Prof. Dr. Patricia Pfeil von der Hochschule Kempten.

Zum Positionspapier beim iff (PDF)

Zur Pressemitteilung als PDF-Download

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