Architektonische Beiträge zur Erinnerungskultur

Steve Landau (hinten) erläutert Gert-Uwe Mende, Dr. Peter M. Quadflieg, Dr. Jacob Gutmark und Prof. Dr. Eva Waller einen der ausgestellten Entwürfe. © Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

Haus der Begegnung – Entwurf von Paulina Herzog © Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

Besucherinnen betrachten die ausgestellten Entwürfe. © Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

Raum und Fuge – Entwurf von Stephan Krenzel © Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland – das bundesweite Festjahr 2021 bildete den thematischen Hintergrund zum Projektstart der Bachelor-Absolvent:innen des Studiengangs Architektur im vergangenen Herbst. Unter der Leitung von Prof. Dieter Müller, Prof. Dr. Corinna Rohn und Prof. Dirk Miguel Schluppkotten sind unter der Überschrift ‚Zusammenkommen – Erinnern – Lernen‘ im vergangenen Wintersemester architektonische Entwürfe für ein Gemeindezentrum in der Wiesbadener Coulinstraße entstanden – unweit der Gedenkstätte für die ermordeten Wiesbadener Juden und in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden sowie dem Stadtarchiv und dem Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt. Am vergangenen Donnerstag nun wurden die Arbeiten im Rahmen einer Finissage vor- und ausgestellt.

In ihrem Grußwort betonte Prof. Dr. Eva Waller, Präsidentin der Hochschule RheinMain, das historische Gewissen der Hochschule, das ganz ausdrücklich die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Wiesbaden einschließe. „Ich beglückwünsche alle Studierenden zu diesen – im Wortsinn bemerkenswerten – Ergebnissen ihres Studiums“, so Waller.

Die besondere Qualität der ausgestellten Arbeiten lobte auch Dr. Jacob Gutmark, Vorsitzender des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen: „Es sind zukunftsweisende Projekte entstanden, deren Entstehung neben einer ästhetischen auch eine moralische Sorgfalt erfordert und die somit Zeugnisse persönlicher Reife sind.“ Angesichts der herausfordernden Aufgabenstellung in Bezug auf Thema und Lage, so auch der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden Steve Landau, hätten die Absolventen viel Fingerspitzengefühl gezeigt. Dass die Studierenden nicht nur den architektonischen Ton getroffen, sondern auch historische Sensibilität bewiesen hätten, ergänzte der Leiter des Stadtarchivs Dr. Peter M. Quadflieg.

Vom Haus der Begegnung zum unterirdischen Baukörper

Während seiner Erläuterungen zur Aufgabenstellung verwies Prof. Müller auf die große Bandbreite der Entwürfe, die ganz unterschiedliche und innovative Ansätze verfolgten. So schuf Paulina Herzog ein Haus der Begegnung, das in der Verlängerung der Gedenkstätte bauliche Lücken schließt. „Mir war es wichtig, den Schwung der Coulinstraße und des Geländes gleichermaßen in die Gebäudeform aufzunehmen. So steigert sich das Gebäude mit der Höhe des Hanges und es entstehen zwei barrierefrei erschließbare Bereiche“, erläuterte die Absolventin.

Einen gänzlich anderen Ansatz hat Stephan Krenzel gewählt. Sein Entwurf mit dem Titel ‚Raum und Fuge‘ besteht aus einem unterirdischen Baukörper, der nur durch sechs Kuben im Straßenraum sichtbar wird. „Die Kuben brechen die Straßenkante auf und dienen dem Gebäude als Belichtungshöfe, die den Innenraum gleichzeitig gliedern“, so Stephan Krenzel.

Aufmerksam studiert wurden die Arbeiten von Paulina Herzog und Stephan Krenzel sowie die ihrer Kommiliton:innen auch von Gert-Uwe Mende. „Es sind wirklich hochinteressante Entwürfe entstanden. Ich freue mich sehr über diese wunderbare Kooperation aller Beteiligten“, sagte der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbaden.