"Quereinstieg in Kitas" – ein Wiesbadener Erfolgsmodell

© Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

Daniela Leß, stellv. Amtsleiterin des Amts für Soziale Arbeit der Landeshauptstadt Wiesbaden. © Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

Margarethe Unkhoff, stellv. Landesfachbereichsvorstand ver.di Hessen. © Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

Prof. Dr. Michael Schmidt vom Fachbereich Sozialwesen. © Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

Gestern wurde im Kulturforum die Bilanz des Wiesbadener Projekts "Quereinstieg – Männer und Frau in Kitas" vorgestellt. Drei Jahre lang begleiteten Prof. Dr. Tanja Grendel, Vera Dangel und Prof. Dr. Michael Schmidt vom Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain das Vorhaben der Landeshauptstadt und ver.di Hessen von wissenschaftlicher Seite. Das Ergebnis: Große Zufriedenheit bei allen Beteiligten.

"Es sind nicht immer die traditionellen Wege, die zum Beruf führen", sagte Prof. Dr. Tanja Grendel, die sich schon lange mit dem Thema unorthodoxer Erwerbsbiografien beschäftigt. "Unsere Untersuchungen zeigen, dass das Modell gut funktioniert", so die Professorin über das Projekt, das Teil eines bundesweiten Programms des Europäischen Sozialfonds ist und vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Laut den Ergebnissen schafft das praxisintegrierte Konzept günstige Voraussetzungen zum Erwerb von Fachlichkeit. Parallel zum schulischen Teil gibt es eine sich steigernde Präsenzzeit in den Kitas und eine intensive Betreuung während der Ausbildung. Am Ende steht die staatliche Anerkennung als Erzieherin beziehungsweise Erzieher.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewerteten das Projekt äußerst positiv: "Ich bin seit Juni fertig und wurde von der Kita direkt übernommen", erzählt Nadine Diel, die aus Limburg kommt und ursprünglich Bürokauffrau gelernt hat. "Ich habe noch die Weiterbildung zur Betriebswirtin gemacht, wollte aber schon immer lieber mit Menschen arbeiten. Durch die Ausbildungsvergütung konnte ich in den letzten Jahren auch weiter meine Rechnungen bezahlen", erklärt die 28-Jährige, die in ihrem neuen Job glücklich ist. Das Einkommen während der Ausbildung war für viele ein starker Anreiz den Wechsel zu wagen. So konnte der Lebensstandard gehalten und familiären Verpflichtungen nachgekommen werden.

"Wunschlos glücklich"

Auch Kfz-Mechaniker Matthias Krey hat sich für den Quereinstieg in die Kinderbetreuung entschieden und wird im kommenden Jahr fertig: "Ich habe rund 15 Jahre in meinem Beruf in verschiedenen Werkstätten gearbeitet", so der zweifache Vater. Dennoch wollte er etwas anderes machen und ist heute nach eigener Aussage "wunschlos glücklich". Außerdem motivierend für die zukünftigen Betreuerinnen und Betreuer war laut der Erhebung, dass man gemeinsam mit Menschen in ähnlichem Alter – durchschnittlich 32 Jahren – ausgebildet werde. Herausfordernd dagegen sei der ungewohnte und umfangreiche Lernstoff. Besonders positiv wurde bewertet, dass man Erfahrungen und Skills aus früheren Tätigkeiten einbringen könne.

Das beurteilt Harald Engelhard, Abteilungsleiter Kindertagesstätten im Wiesbadener Sozialdezernat, ebenso: "Wir haben den Nachweis erbracht, dass die praxisorientierte Ausbildung nicht nur kein Qualitätsverlust ist, sondern sogar ein Qualitätsgewinn!" So brächten die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger Fähigkeiten und Fertigkeiten mit, die die Teams in den Einrichtungen bereicherten. "Wir sind auf dem Weg, multiprofessionelle Teams ein Stück weit zu etablieren", so Engelhard, der das Projekt fortführen will. Margarethe Unkhoff vom Projektpartner ver.di bewertete die Ergebnisse der Studie ebenfalls als sehr erfreulich und lobte die Erprobung des Modells als "vorbildliche und bemerkenswerte Zusammenarbeit" aller Akteurinnen und Akteure.

In Kitas fehlen über 100.000 Fachkräfte

Die Forscherinnen und Forscher der Hochschule RheinMain zogen ein optimistisches Fazit. So habe sich das alternative Ausbildungsformat als sehr erfolgversprechend herausgestellt: "Die Studien zeigen, dass der Quereinstieg gut ist für den Ausgleich des Fachkräftemangels im Kita-Bereich", so Prof. Dr. Michael Schmidt, der in seinem Vortrag zu strategischem Personalmanagement aktuelle Herausforderungen für Recruiting und Führungskultur in Zeiten des Personalmangels vorstellte. Um eine kindgerechte Betreuung zu ermöglichen, so Schmidt, seien in Deutschland laut einer Bertelsmann-Studie zusätzlich über 100.000 Fachkräfte nötig.