Alles ist Sprache

Raphaela Edelbauer im Gespräch mit Björn Hayer © Hochschulkommunikation | Hochschule RheinMain

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Mit einer Lesung im Literaturhaus Villa Clementine begann am Mittwochabend die 24. Poetikdozentur des Kulturamts der Landeshauptstadt Wiesbaden und der Hochschule RheinMain (HSRM), die in diesem Jahr Raphaela Edelbauer bekleidet – eine „besondere Autorin“, so Susanne Lewalter, Leiterin des Literaturhauses, in ihrer Eröffnungsrede. Denn in ihren Werken lote Edelbauer Grenzen aus und unterlaufe Erwartungen.

An diesem Abend liest die österreichische Autorin aus ihrem Debüt „Entdecker. Eine Poetik“ aus dem Jahr 2017, in dem sie ihr Verständnis von Sprache und Literatur formuliert. Bereits im Einleitungsteil des Texts, der „Gebrauchsanweisung“, wird dabei Edelbauers radikaler Ansatz deutlich: Sprache ist für sie der zentrale Baustein der Welt, alles sei Sprache. „Das klingt wie ein Wahnsinn“, räumt sie im Gespräch mit dem Kritiker Björn Hayer ein, der die Lesung moderiert. „Und das ist meine Theorie ja auch. Ich habe selbst gute zehn Jahre gebraucht, um sie zu durchdringen.“

Zwischen Gesprächen über ihre große Leidenschaft für Naturwissenschaften, die immer wieder Eingang in ihre Texte findet, und ihren Schreibprozess („Ich gehe sehr systematisch, sehr analytisch vor“) liest Edelbauer aus den ersten Kapiteln ihrer Poetik. Etwa aus „Bestiarium“, in dem es um Texte geht, die wie Mikroorganismen funktionieren und dementsprechend detailliert von ihr beschrieben werden – plastisch, lebendig, fast grafisch.

„Wunder“-Mineral Dementium

Ein weiteres Kapitel, in dem naturwissenschaftliche Aspekte eine große Rolle spielen, ist mit „Minerale“ überschrieben. Edelbauer beschreibt darin die Eigenschaften fiktiver Mineralien; sie liest den Abschnitt zum Mineral Dementium. Der metallartige Stoff verfügt einerseits über zahlreiche überaus positive, gar wundersame Eigenschaften, weil er beispielsweise heilende Wirkung hat, gleichzeitig jedoch hat er absolut vernichtende Auswirkungen auf die, die es abbauen. Deutlich macht Edelbauer das anhand des Schicksals der Figur des Bergmanns Fritz, der – der Name Dementium lässt es vermuten – körperlich und geistig zugrunde geht und selbst zum Mineral wird, während er Dementium schürft.

Mit einer Fragerunde und der anschließenden Möglichkeit, sich Edelbauers Bücher von der Autorin signieren zu lassen, geht nach 90 Minuten ein unterhaltsamer Abend zu Ende, der – und dafür sorgt Edelbauer immer wieder selbst – Lust auf die nächste Veranstaltung der Poetikdozentur macht. Am 28. November 2023 ist die gebürtige Wienerin für ihre erste Vorlesung zu Gast an der Hochschule RheinMain.

Zur Poetikdozentur auf den Seiten der Hochschul- und Landesbibliothek