Sperrung der Wiesbadener Salzbachtalbrücke

Stau auf der Biebricher Allee. © Charly Richter | Hochschule RheinMain

Für viele Pendlerinnen und Pendler ist es ein Paukenschlag: Die Sperrung der Salzbachtalbrücke behindert auf noch unbestimmte Zeit den Auto- und Bahnverkehr auf wichtigen Verkehrsachsen in Wiesbaden. Von heute auf morgen müssen viele Menschen ihre täglichen Wegeroutinen verändern – ein Thema, mit dem sich die Fachgruppe Mobilitätsmanagement der Hochschule RheinMain (HSRM) in Lehre und Forschung seit Jahren beschäftigt.
"Die naheliegenden Optionen – Umleitungen im Straßennetz und Busersatzverkehre für die ausfallenden Züge – wurden schon beziehungsweise werden in den nächsten Tagen ergriffen. Doch die Optionen sind hier begrenzt und können den Ausfall der Salzbachtalbrücke nicht ausgleichen. Im Schienennetz rächt sich nun, dass in den letzten Jahren das Gleisnetz auf das unbedingt Notwendige zurückgebaut worden ist", konstatiert Prof. Dr. Volker Blees vom Studiengang Mobilitätsmanagement. So könnten beispielsweise die S-Bahnen und Regionalzüge aus Mainz nicht mehr bis zum Bahnhof Biebrich fahren und dort ein einfaches Umsteigen in Richtung der Wiesbadener Innenstadt ermöglichen, da die erforderlichen Gleise nicht mehr existierten. Stattdessen endeten die S-Bahnen im ungünstig gelegenen Bahnhof Wiesbaden Ost, so der Verkehrsforscher.

Verkehrsbelastung steuern

Im Straßenverkehr gelte es, das Netz möglichst gleichmäßig auszulasten; ebenfalls eine große Herausforderung angesichts des ohnehin starken Autoverkehrs. Eine Hilfe stellten hierbei digitalisierte Verkehrssteuerungen dar, wie das in Wiesbaden im Aufbau befindliche DigiV-System. Mit moderner Sensorik könne die aktuelle Verkehrslage leichter erfasst werden und eine flexible Reaktion der Ampelsteuerung auf veränderte Verkehrsströme wird möglich, so Prof. Dr. Blees. Um die nun stark begrenzten Kapazitäten im Verkehrsnetz nicht zu überlasten und den notwendigen Verkehr sicherzustellen, muss es Ziel sein, nicht unbedingt notwendige Fahrten einzusparen. Doch bekannte Lösungen wie etwa Fahrgemeinschaften erscheinen vor dem Hintergrund der Pandemie weniger geeignet. "Besonders effektiv erscheint uns daher, dass Mobilität in den digitalen Raum verlagert wird, zum Beispiel durch die (Re-)Aktivierung von in der Pandemie eingeübtem Arbeiten aus dem Homeoffice. Ergänzt werden sollte dies durch eine Optimierung des Beginns der Arbeitszeiten zur Reduzierung der Rush-hour", so Prof. Dr. Blees.

Bei gutem Wetter auf das Rad setzen

Nicht zuletzt kann angesichts des aktuell schönen Wetters auch das Fahrrad einen Beitrag leisten. "Ein Ausbau des Mietfahrradangebots von ESWE Verkehr meinRad an den provisorischen Bahn-Endstationen kann dazu beitragen, die Busersatzverkehre zu entlasten", ist sich Radverkehrs-Professorin Dr. Martina Lohmeier sicher. Sie hat beobachtet, dass sich in den sozialen Medien bereits die ersten Gruppen von Radpendelnden bilden, die gemeinsam den Stau umgehen wollen. "Das ist nicht die Masse, aber in dieser Situation hilft jeder, der nicht im Auto sitzt."

Insgesamt könnte laut Prof. Dr. Blees die Lösung aus vielen individuellen Lösungen bestehen: "Um diese zu finden, sollten verschiedene Akteurinnen und Akteure an einem Strang ziehen, Unternehmen beispielsweise durch Homeoffice und flexible Arbeitszeiten und/oder Verschiebung von Schichten die Spitzen entzerren, der Öffentliche Verkehr gegebenenfalls spezielle und flexibel Angebote unterstützen." Hierbei gehe es vor allem darum, den einzelnen mobilen Menschen dabei zu helfen, eine Lösung zu finden, wie sie die mitunter komplexen Mobilitätsroutinen anpassen können.

"Gute Beispiele aus dem Ausland, etwa aus Maastricht, zeigen, dass derartige koordinierte Aktionen von Wirtschaft und öffentlicher Hand im Rahmen eines Mobilitätsmanagements gut geeignet sind, um den Ausfall wichtiger Infrastruktur zu kompensieren und gute Lösungen für die mobilen Menschen zu finden", sagt Prof. André Bruns. "Hier unterstützen wir Gebietskörperschaften, Unternehmen und Organisationen mit unseren Analysen und Lösungen", ergänzt Prof. Dr. Blees.

Fachgruppe Mobilitätsmanagement: Forschung und Lösungen für die Praxis

Die 2017 gegründete Fachgruppe Mobilitätsmanagement bündelt Forschungs- und Entwicklungsprojekte des Kollegiums im Studiengang Mobilitätsmanagement und hat darüber hinaus das Ziel, die Verknüpfung von Forschung, Lehre und Praxis sicherzustellen. Das Team bietet umfassende konzeptionelle Lösungen für die nachhaltige und innovative Gestaltung von Mobilität und Verkehr. Die Kernkompetenzen der Fachgruppe liegen in den Bereichen Erhebung und Analyse von Mobilität und Verkehr, Gestaltung von Mobilitäts- und Verkehrs-planungsprozessen, Erarbeitung verkehrsmittelübergreifender Mobilitäts- und Verkehrskonzepte, Mobilitätsmanagement sowie in der Evaluation von Prozessen, Projekten und Programmen. Lösungen werden hierbei sowohl auf regionaler wie lokaler, auf strategischer wie operativer Ebene geboten.