Smart Mobility

Mobilität im Wandel: Mobilität für alle?!

Impressionen von der Veranstaltung © IMPACT RheinMain

Impressionen von der Veranstaltung © Dipl.-Ing. Juliane Krause

Impressionen von der Veranstaltung © Dipl.-Ing. Juliane Krause

Wodurch sind vorhandene Verkehrsstrukturen geprägt? Welche Unterschiede gibt es im Verkehrshalten zwischen Mann und Frau und welche Anforderungen an eine gendergerechte Verkehrsplanung entstehen daraus? Gestalten, planen und entscheiden Frauen anders als Männer? Kann eine weibliche Sichtweise Planungen bereichern?

Diesen und weiteren Fragen wurde im Rahmen der Vortrags- und Diskussionsreihe „Mobilität im Wandel“ von IMPACT RheinMain am gestrigen Mittwoch, 9.12.2020, unter dem Motto „Mobilität für alle?! Die Verkehrswelt aus Gender-Perspektive“ nachgegangen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das Themenfeld „Frauen und Mobilität“ und die weibliche Sichtweise auf die Verkehrsplanung. Dr. Volker Blees, Professor für Verkehrswesen an der Hochschule RheinMain, begrüßte die mehr als 130 interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Online-Veranstaltung sowie die beiden Referentinnen.

Status quo: Genderrelevante Unterschiede des Verkehrshandelns

Zu Beginn bot Juliane Krause, freiberufliche Verkehrsplanerin (plan & rat), einen kritischen Blick auf das unterschiedliche Mobilitätsverhalten von Frau und Mann und auf die unveränderte Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern. Mobilität und Verkehrshandeln sind eingebunden in gesellschaftliche Strukturen und bestehende Geschlechterverhältnisse in unserer Gesellschaft. Gendergruppen – Gruppen mit ähnlichen Mobilitätsanforderungen (Frauen, Kinder, Ältere, mobilitätseingeschränkte Personen etc.) – weisen jeweils spezifische Mobilitätsbedingungen und Anforderungen auf. Allerdings sind diese Bedürfnisse in der Regel in Planungsprozessen unterrepräsentiert, so Krause. In diesem Zusammenhang ging Sie auf Gender-Mainstreaming Aspekte in der Verkehrsplanung ein und betonte das Ziel, gleichwertige Mobilitätschancen und die eigenständige Mobilität für Gruppen mit besonderen Mobilitätsanforderungen zu schaffen. So soll eine genderdifferenzierte Betrachtung bei allen Projekten, Analysen und Entscheidungen in der Stadt- und Verkehrsplanung erfolgen. Als Beispiel nannte sie das subjektive Sicherheitsempfinden durch problematische Gestaltungsmerkmale im öffentlichen Raum: Bedrohungen, sexuelle Belästigung oder die Angst vor Übergriffen können dazu führen, dass die Mobilität von Mädchen und Frauen eingeschränkt wird.

Zudem bot Frau Krause einen Überblick über Daten und Fakten zur Alltagsmobilität aus Gendersicht: Frauen legen zwar kürzere Strecken zurück, aber nicht weniger Wege. Care-Arbeit stellt dabei den höchsten Anteil weiblicher Wegezwecke dar. Frauen sind zudem umweltfreundlicher als Männer – da häufiger zu Fuß oder per Bahn – und eher als Pkw-Mitfahrerin unterwegs. Nach ihren Aussagen trägt das Leitbild „Stadt der kurzen Wege“, die Priorisierung der Verkehrsmittel Rad, Fußgänger und ÖPNV, die attraktive Gestaltung des öffentlichen Raums sowie die aktive Öffentlichkeitsbeteiligung dazu bei, eine gendersensible Verkehrsplanung zu erzielen und unterschiedliche Genderbelange ausreichend in der Planung zu berücksichtigen und verankern. Ihr Fazit: Gender-Aspekte sind ein wesentlicher Beitrag zur Verkehrswende. Die Genderperspektive ist ein Qualitätsmerkmal von Planung.

Festgefahren? Die Genderfrage in Verkehrspolitik, -planung und -gestaltung

Dr. Annika Busch-Geertsema verdeutlichte in ihrem anknüpfenden Vortrag, „dass es eine gemeinsame Kraftanstrengung sein wird, aus einer festgefahrenen Situation freizukommen und dass der oder die Einzelne das System nicht allein umstellen kann“. Dementsprechend bot sie in ihren unterschiedlichen Rollen als Referentin im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, als Pendlerin, als Mutter und als Frau mit ihren eigenen Ansichten einen ganz persönlichen Einblick in ihr Selbstverständnis zu dieser Thematik.

Anhand unterschiedlicher Beispiele stellte sie dar, dass Frauen im Bereich Mobilität weniger berücksichtigt werden. Nach ihrer Aussage werden dort, wo Entscheidungen fallen, weibliche Lebenswelten oft nicht ausreichend vertreten. Während ihres Inputs legte sie dar, was nach ihrer Meinung getan werden sollte, um das System aufzubrechen und Mobilität sozialgerecht zu gestalten. Mit einem Einblick in Politik und kommunale Verwaltung machte sie den geringen Frauenanteil in diesem Bereich kenntlich. So gab es bisher noch keine Verkehrsministerin, Abteilungsleitungen in Ministrieren sind aktuell deutlich männlich besetzt – anders sieht das Geschlechterverhältnis in der Sachbearbeitung und Vorzimmerebene aus.

Der Verkehrssektor ist vor allem männlich dominiert. Verkehrsplanung, -politik, -technik und -gesetze sind von einem männlichen Weltbild geprägt. Nicht zuletzt, weil gerade Führungspositionen vorwiegend männlich besetzt sind und Entscheidungen in höheren Ebenen getroffen werden. Schnell kann hier die Perspektive der Frau systematisch unterrepräsentiert sein. Mit den sozialwissenschaftlichen Ansätzen der Multi-Level-Perspektive, der Pfadabhängigkeiten und des Dispositivs und dessen Übertragbarkeit auf die Dominanz einer männlichen Mobilität leitet Busch-Geertsema auf das festgefahrene System hin, das Veränderungen derzeit erschwert.

Am Ende ihres Vortrages zeigt Dr. Annika Busch-Geertsema noch einmal auf, wie weibliche Perspektiven im Verkehrsbereich besser wahrgenommen und einbezogen werden können: Sensibilisierung, Beteiligungsformate, Einbindung in politische Entscheidungsprozesse sind nur einige der genannten Faktoren.