Ringvorlesung „Response-ability“

Plakat zur Veranstaltung © IMPACT RheinMain

Impression aus dem Vortrag von Eric Jannot © Eric Jannot

Impression aus dem Vortrag von Eric Jannot © Eric Jannot

Mit der Ringvorlesung „Response-ability“ des Studiengangs Kommunikationsdesign der Hochschule RheinMain in Kooperation mit IMPACT RheinMain am 5. und 6. Februar wurde den Fragen nachgegangen, wie persönliches und berufliches Engagement zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen kann und wie sozialer, künstlerischer und politischer Aktivismus funktioniert. Die Ringvorlesung bestand aus sechs Vorträgen an zwei Tagen, kuratiert und moderiert von Prof. Tom Schreiber und Prof. Dr. Theo Steiner. Nach den Vorträgen und Inputs erfolgte jeweils eine vertiefende virtuelle Diskussion mit einer Auswahl an Studierenden sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie weiteren Hochschulangehörigen über den Chat, der angeregt von den mehr als 170 Teilnehmenden genutzt wurde.

Timo Daum (Sachbuchautor & Hochschullehrer) erklärte Formen des agilen Arbeitens mit entsprechenden Methoden und Tools und warf hierbei einen kritischen Blick auf 20 Jahre Erfahrungen seit dem „Agilen Manifest“. In der Diskussion erzählten Studierende, sie fühlten sich durch Praktika und die Form des Studiums auf eine agile Arbeitswelt gut vorbereitet. Gleichzeitig sehen sie sowohl Vor- als auch Nachteile in erhöhter Transparenz und Teamarbeit sowie in der Tendenz zu immer größerer Selbstoptimierung. Die Ambivalenz durch ein zunehmendes Verschwimmen der Grenzen von Arbeit und Freizeit wurde ebenfalls angesprochen: „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ habe kaum noch Gültigkeit. Die Corona-Pandemie beschleunige die Nutzung agiler Arbeitsweisen.

Timothée Ingen-Housz (Universität der Künste, Berlin) präsentierte in einer großen Tour d‘Horizon, wie Alternativen zur Realität geschaffen werden können: angefangen von der Suche nach der Temps perdu à la Proust über den Einfluss des Futurismus und seines Gründers Marinetti bis hin zu Tech als Alternative für geistige und physische Veränderungen. Der Titel seines Vortrages „idc & idk“ (für „I don‘t care“ und „I don‘t know“) stand für seine Aussage, dass es große Orientierungslosigkeit und Paralleluniversen in unserer Gesellschaft gebe. Die folgende Diskussion fokussierte insbesondere auf die Zukunft menschlicher Werte im digitalen Zeitalter und kam zu dem Schluss: „the best way to predict the future is to create it“ (Alain Kay).

In ihrem Grußwort, das aus organisatorischen Gründen erst am späteren Nachmittag gehalten werden konnte, nahm die Präsidentin der Hochschule, Prof. Dr. iur. Eva Waller, einleitend insbesondere auf die Rolle von Heldinnen der neueren Zeit Bezug.

Die Philosophin Lisz Hirn gab in ihrem Vortrag Antworten auf Fragen wie: Was macht einen Menschen zum Helden? Was sind die Komposita der heldischen Natur? Was verraten sie über unsere Gesellschaft? In ihren Antworten spann sie den Bogen von der Antike über Hannah Arendt zu den Superhelden in Comics und Film. Fiktive Superheldinnen sind jedoch weiterhin eine seltene Spezies – auch wenn es feministische Versuche gibt. Auch über das Heldenbild in der Corona-Pandemie und die immanente Widersprüchlichkeit des Wortes „Alltagshelden“ wurde gesprochen und deren Instrumentalisierung unterstrichen. Letztlich werden wir wahrscheinlich doch selbst die vielen Herausforderungen in unserer Welt annehmen müssen, da der Superheld oder die Superheldin nicht kommt!?

Die Regisseurin Valeska Grisebach gab am Beispiel ihres Films „Western“ Einblicke in ihre Arbeit: von einer Idee über das Schreiben eines Treatments und begleitender Recherche zu der Arbeit mit Laien und der Improvisation. Ihr Film nutzt das Genre Western, um den Kontakt zwischen der ortsansässigen bulgarischen Bevölkerung (den „Indigenen“) und den eindringenden „Weißen“, den deutschen Bauarbeitern, zu schildern. Dieser Film behandelt die kulturellen Konflikte sowie die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Antwortfähigkeit bei interkulturellen Begegnungen, wenn die Beteiligten nicht dieselbe Sprache sprechen. Der Western wird durch einen künstlichen Naturalismus charakterisiert, der durch diese Arbeitsweise insbesondere ermöglicht wird. Die Übertragung der dramaturgischen Strukturen eines Western auf das Heute führt zu einer besonderen Betrachtung der patriarchalen Rollen. In der Diskussion wurde von Valeska Grisebach sowie den Teilnehmenden mehr Diversität bei der Entwicklung und Besetzung von Heldenrollen gefordert.

Eric Jannots Vortrag hatte den Titel „Press ‚A‘ to Protest - Politik, Aktivismus und Spiele“, in dem er die Entwicklungen in der Gamebranche, Subkulturen der Spieler sowie deren gesellschaftliche Wahrnehmung skizzierte. Durch die „prozedurale Rhetorik“ eines Spiels (über das, was im Spiel erlaubt ist und was nicht) werden sowohl Botschaften und Muster vermittelt als auch mögliche Rollen in Spielen festgelegt. Spiele können deshalb nicht unpolitisch sein und genau diese Rezeption wird zunehmend ausgeprägter. Außerdem wurden Beispiele von Spielen diskutiert, die explizit politisch oder subversiv sind. Eric Jannot (University of Applied Sciences Europe) forderte dazu auf, Missstände zu benennen und hiermit Entwicklungen zu beeinflussen, denn auch bei einem solchen Unterhaltungsprodukt sollten die Autoren und Autorinnen sich nicht der Verantwortung entziehen. In der Diskussion wurden unter anderem die „ludische Gesellschaft“ und Möglichkeiten von Gamification im Alltag bis hin zum Homeschooling reflektiert.

Stephanie Thiersch gab mit Videoausschnitten Einblicke in ihre Arbeiten als Choreografin. Sie bezieht darin verschiedene Genres und Disziplinen ein, wie sie an ihrem Stück „Bilderschlachten“ illustrierte. Sie gab Einblicke in die Entstehung ihrer Werke, die oftmals im Kollektiv entwickelt werden – mit allen Mitwirkenden auf Augenhöhe – oder auch partizipativ angelegt sind und Laien einbeziehen. Der innere Zusammenhalt von Musik und Tanz – eine Art Synästhesie der Disziplinen – die sich von Ton und Bewegung auf das Verhältnis zu Raum, Tempo und Ambiente ausweitet, charakterisiert ihre Arbeit. Sie beantwortete Fragen zu den Herausforderungen der interkulturellen und interdisziplinären Arbeit und deren Rahmenbedingungen bis hin zur Überlegung, ob Performance als Heilungsprozess nach der Pandemie dienen könne.