Informatiker produzieren Open-Source-Mikrochips

Einzelne AND-Logik-Zelle auf Transistorebene als 3D-Modell gedruckt. © Thorsten Knoll | Hochschule RheinMain

Chipflaeche der ALU 74181 auf dem Open-Source Chip. © Thorsten Knoll | Hochschule RheinMain

Mikrochip 4-bit ALU 74181. © Thorsten Knoll | Hochschule RheinMain

„Die deutschen Produktionsstraßen und die Grundausbildung der Informatik an der HSRM teilen sich im Moment ein gemeinsames Problem: Die Nichtverfügbarkeit von Mikrochips“, sagt Prof. Dr. Steffen Reith vom Studiengang Informatik – Technische Systeme. Dies wollen die IT-Expert:innen an der Hochschule RheinMain (HSRM) nun lösen und Transfer auf verschiedenen Ebenen realisieren.

Durch weltweite Lieferengpässe kommen die benötigten Mikrochips nicht in den deutschen Produktionsstätten an, weswegen diese teilweise stillstehen. Dieses Problem betrifft neben den Automobilherstellern auch andere Branchen. Auch in der Grundausbildung der Informatik, beispielsweise im Studiengang Informatik – Technische Systeme, sind manche Mikrochips nicht verfügbar, aber hier nicht durch Lieferengpässe. Der Grund ist in diesem Fall, dass diese Chips weltweit gar nicht mehr produziert werden. So zum Beispiel die Arithmetisch-Logische-Einheit 74181, ein 4-bit-Computer-Rechenwerk. Dieser Chip wird in der Lehre im ersten Semester zum Bau eines kleinen Minicomputers verwendet, da er verhältnismäßig einfach aufgebaut ist und deshalb für die Ausbildung von Anfänger:innen ideal ist.

Open-Source-Chips – Made at HSRM

„Im Moment liegen noch circa 15 Stück davon im Regal und selbst diese wurden gebraucht ersteigert. Für beide genannten Probleme – Lieferengpässe und eingestellte Produktion – könnte es eine Lösung geben“, so Prof. Dr. Reith, „die eigene Herstellung von Open-Source-Mikrochips.“ Für die Fertigung von Mikrochips sind laut dem Informatik-Professor üblicherweise immense Lizenzgebühren, die Einhaltung strikter Verschwiegenheitserklärungen und Produktionskosten im Millionen- bzw. Milliardenbereich nötig. Lange waren dadurch die Möglichkeiten des Transfers zwischen Forschung, Lehre und Industrie größtenteils stark eingeschränkt. Es entstand sowohl ein akademisches als auch ein industrielles Problem, bis hin zu den oben beschriebenen Lieferengpässen.

„In den letzten Jahren hat sich die Idee von Open-Source-Mikrochips weltweit, aber auch speziell in Deutschland und Europa, rasant weiterentwickelt. Dabei sollen die Ansätze der Open-Source-Software auf den Bau von (digitaler) Hardware übertragen werden. Durch diese Entwicklung fallen auf einen Schlag die Lizenzgebühren und die Verschwiegenheitsvereinbarungen weg, während gleichzeitig die Hürde zur Produktion von Mikrochips auf ein innovationsfreundliches Niveau fällt“, erklärt Prof. Dr. Reith. Die HSRM nimmt an dieser Entwicklung mit eigenen Forschungsprojekten (BMBF-Projekte: QuantumRISC und VE-HEP) teil. Das in diesen Projekten erarbeitete Wissen wurde nun auch für die Verbesserung der Lehre verwendet.

Google, Efabless, Skywater, ZeroToAsic und die HSRM

Die amerikanischen Firmen Skywater, Efabless und Google haben ein gemeinsames Programm zur Open-Source-Chipfabrikation eröffnet. Ziel des Programms ist die regelmäßige Produktion von Open-Source-Chips. Die Teilnahme ist frei und offen, alle Kosten innerhalb der Produktionskette werden von Google übernommen. Die einzige Bedingung für die Teilnahme ist, dass alle Projekte als Open-Source verfügbar sein müssen. „Die HSRM hat über ein Gruppenprojekt des Kurses ‚Zero-To-Asic‘ ein Open-Source-Chipdesign in dieses Programm eingereicht und wird in ca. einem Jahr ihren ersten Open-Source-Chip in den Händen halten“ sagt Prof. Dr. Reith. Eingereicht wurde ein Nachbau des oben erwähnten 4-bit-Rechenwerks 74181 für die Ausbildung der Studierenden.

Transfer zwischen Forschung, Lehre und Industrie

Die Aktivitäten der Informatik an der HSRM zeigen Wissenstransfer auf mehreren Wegen und über mehrere Ebenen:

  • Aus der Forschung in die Lehre: Erstmals werden Lehrveranstaltungen auf diesem Gebiet möglich.
  • Aus der Forschung in die Lehre und dann in die Industrie: Die Ausbildung von Chipdesigner:innen wird gefördert (hier herrscht ein extremer Fachkräftemangel).
  • Aus der Forschung direkt in die Industrie: Die Chipfabrikation in Kleinserien mit schneller Verfügbarkeit und zu erschwinglichen Preisen wird möglich. Außerdem findet ein vereinfachter Transfer von neuartigen Forschungsergebnissen (z.B. Post-Quantum Kryptographie) statt.
  • Aus der Forschung in die Innovationsförderung: Start-Ups im Chipbereich werden überhaupt erst möglich.