Weniger Verkehr durch Corona?

© Prof. Dr. Volker Blees

Die Forschung an der Hochschule RheinMain geht trotz Corona weiter. Infolge der Epidemie und der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ist der Straßenverkehr wahrnehmbar zurückgegangen. Doch wie stark ist der Rückgang, wie lässt sich die Veränderung messen? Und was können wir daraus für die Verkehrswende lernen?

Dieser Fragen hat sich Prof. Dr. Volker Blees vom Studiengang Mobilitätsmanagement am Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen mit einer Analyse der Daten von Straßenkreuzungen angenommen. "An vielen Lichtsignalanlagen, den Ampeln, erfassen Induktionsschleifen die Fahrzeuge auf der Straße. Diese Daten werden normalerweise nur zur Steuerung der Lichtsignale verwendet und außerdem im Leitrechner gesammelt. Die Stadt Darmstadt ermöglicht als bislang einzige deutsche Stadt im Rahmen ihrer Open-Data-Strategie den Zugriff auf diese Daten", so Prof. Dr. Blees. Der Verkehrsexperte hat nun für zehn willkürlich ausgewählte Knotenpunkte in Darmstadt die Daten seit dem 9. März, also eine Woche vor Schließung der Schulen in Hessen und damit den ersten gravierenden Eingriffen in das öffentliche Leben, ausgewertet.

Freizeitverkehre gehen zurück

"Die Analysen zeigen, dass das Verkehrsaufkommen an den untersuchten Knoten nur nach und nach zurückgegangen ist: Am Montag, dem 16. März, dem Zeitpunkt der Schulschließungen, betrug es immerhin noch 94 Prozent des Werts eine Woche zuvor, am Freitag, dem 20. März nur noch 75 Prozent des entsprechenden Vorwochen-Werts. Seit dem 24. März scheint sich das Niveau bei etwa zwei Dritteln des Verkehrsaufkommens im Vergleich zur Situation zuvor zu stabilisieren. Stärker waren die beobachteten Verkehrsrückgänge am Wochenende: Am 21. und 22. März wurden nur knapp 60 Prozent des Verkehrsaufkommens im Vergleich zum Vor-Wochenende erfasst." Eine so genannte Ganglinienanalyse lässt darüber hinaus den Schluss zu, dass vor allem Freizeitverkehre zurückgegangen sind und Berufs- sowie Einkaufverkehre einen Großteil des verbleibenden Verkehrsaufkommens ausmachen.

Interessant für die zukünftige Verkehrswende

Auch für die notwendige Verkehrswende kann die aktuelle Situation von Interesse sein. Als ein zentrales Ziel der Verkehrswende wird häufig postuliert, nicht notwendige Autofahrten zu vermeiden. "Darüber, welche Fahrten nicht notwendig sind, scheiden sich aber naturgemäß die Geister. Wenn nun in der aktuellen Situation das öffentliche Leben insgesamt auf ein Mindestmaß zurückgefahren ist, kann das nun verbleibende Niveau des Verkehrsaufkommens ein Indiz für 'notwendige Verkehre' sein", so Prof. Dr. Blees.

Für eine umfassende Beurteilung wäre die Kenntnis der Verkehrsentwicklung bei Bussen und Bahnen oder im Radverkehr notwendig. "Solche Informationen werden aber, obwohl vielerorts vorhanden, noch nicht als Open Data zur Verfügung gestellt", schließt der Mobilitätsforscher. Diese und weitere Analysen sind Stoff, der auch in der Lehre für die Studierenden des bundesweit einzigartigen Studiengangs Mobilitätsmanagement eingesetzt wird.

Update vom 6. April

"Die Straßenverkehrsmengen scheinen sich auf einem Niveau von 70% von 'normal' zu stabilisieren. Wenn das, was wir jetzt erleben, der 'notwendige' Autoverkehr ist, dann ist das mengenmäßig doch noch recht viel", so Prof. Dr. Blees. Aktuell sei aber gegebenenfalls mit Verlagerungen vom ÖPNV zum motorisierten Individualverkehr zu rechnen, was man wiederum herausrechnen müsse. "Andererseits haben unsere Straßen mit nur 30% weniger Autoverkehr schon sehr an Aufenthaltsqualität gewonnen", so der Verkehrsanalyst.

Zur Untersuchung von Prof. Dr. Blees als Screencast.