16. MARICA BODROŽIĆ

16. Poetikdozentur: junge Autoren - Marica Bodrožić

Poetikdozentin für das Wintersemester 2014/15 heißt Marica Bodrožić

Marica Bodrožić hält im Wintersemester 2014/2015 im Rahmen der "Poetikdozentur: junge Autoren" zwei Vorlesungen in der Hochschul- und Landesbibliothek sowie zwei Lesungen in der Villa Clementine, dem Literaturhaus der Stadt Wiesbaden.

Ihre erste Buchveröffentlichung "Tito ist tot" erschien 2002. Marica Bodrožić erzählt darin mit suggestiver Sprachkraft von Seelenbildern im Wechsel der Jahreszeiten, ein sozialistisches Dorf ist darin der wichtigste Schauplatz, bevor die Zerstörung durch den Krieg einsetzt.  Weitere Erzählungen, Essays und drei Gedichtbände folgten. 2010 erschien der als Beginn einer Trilogie angelegte Roman "Das Gedächtnis der Libellen", die furios niedergeschriebene Geschichte einer Sehnsucht, gefolgt von "Kirschholz und alte Gefühle" (2012). Für diesen Roman  erhielt Marica Bodrožić unter anderem den Literaturpreis der Europäischen Union. Auf sehr eindrückliche Weise berichtet sie darin vom Leben im Exil und dem Verwandeln alter Gefühle in einen inneren zeitlosen  Ort der Einheit.

"Das Schreiben zwischen den Kulturen ist selten so nuancenreich und so bildkräftig praktiziert worden wie in Bodrožićs Büchern" (Kritisches Lexikon der Gegenwart).

Den Auftakt zur Poetikdozentur von Marica Bodrožić bildet der "Eröffnungstalk" am 1. Juli um 12.15 Uhr im Clemens-Klockner-Saal der Hochschule am Kurt-Schumacher-Ring.
Marica Bodrožić wird im Gespräch mit dem Talkleiter Prof. Dr. Michael May Fragen zu ihrem Leben und Schreiben beantworten.

Biografie

Marica Bodrožić wurde 1973 in Dalmatien geboren. 1983 zog sie nach Hessen, wo sie die Schule besuchte und in Frankfurt studierte. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin. Marica Bodrožić schreibt Gedichte, Romane, Erzählungen und Essays. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, darunter den Förderpreis für Literatur von der Akademie der Künste in Berlin, den Kulturpreis Deutsche Sprache und den Kranichsteiner Literaturpreis. Regelmäßig unterrichtet sie an Schulen und Hochschulen.

Marica Bodrožić über sich selbst:

Ich liebe Julia Kristeva genauso wie Teresa von Avila, ich liebe Colette genauso wie Hannah Arendt, ich liebe Giordano Bruno genauso wie Kafka, ich liebe Kieselsteine genauso wie Schachbrettblumen, ich liebe Hilma af Klint genauso wie Gohar Homayounpours Doing Psychoanalysis in Teheran, ich liebe Esel genauso wie den Heiligen Antonius von Padua, ich liebe den wildes Englisch redenden Pnin genauso wie Camus & wie Hölderlins Und offen gab/ Mein Herz, wie du, der ernsten Erde sich, ich liebe Meister Eckharts Bitte an Gott, ihn bitte von Gott freizumachen, ich liebe Leute mit unbeweisbaren Ideen, ich liebe die Mathematik des Universums genauso wie die Wörter, die Jean Paul Sartre und Gott-weiß-wen-noch-alles in der Kindheit retteten. - Sehen Sie doch einmal: Ich war allein inmitten der Erwachsenen, ich war die Miniatur eines Erwachsenen, und ich las Erwachsenenbücher, ich liebe den Zustand der Gnade, ich liebe die unsterbliche Muriel Rukeyser, ich liebe, was oben gleich ist wie unten und außen echt wie innen, ich liebe Anna Maria Jokl, sechs Leben hatte sie, jeder hat viele Leben, auch ich, die ich ein Palimpsest bin, der Mediterran war mein Anfang, ich liebe es, dass ich ausgerechnet dort zur Welt kam, im August, unter dem blauen Schutz des Sommerhimmels, in brütendster Augusthitze, stechend heiß war's sogar um 0:10 Uhr, so auf die Minute meine Ankunftszeit: damit ich die lange Nacht durchqueren kann, die das Leben am Anfang immer ist, vierzig Jahre bin ich schon hier, vielleicht ist es jetzt sechs Uhr morgens in meinem Leben, früh also, und ich kann weitermachen, weiterlieben, weiter der Gnade Liebe erweisen: schreibend, sprechend mündig sein.